13.08.2022 – News

Champagnersegeln für die feinen Holzdamen

Christian Hemmerich gewinnt nach 2018 zum zweiten Mal die International Dragon Classics

Flensburger Förde. Flensburg. 7.- 11. August 2022.  17 Holzdrachen, einer schöner als der andere, gaben sich auf der Flensburger Förder ein Stelldichein zur Dragon Classics 2022. Ohne Ranglistenfaktor dafür mit schaulaufen, feiern, fröhlich sein. Gregor Berz, Crew auf Christian Hemmerichs Chaton kommt aus dem Schwärmen kaum heraus:

In ihrer inzwischen fünften Ausgabe rotierte die bisher in den Alpenländern etablierte International Dragon Classics zum ersten Mal nach Norddeutschland und fand mit der Flensburger Förde ein wundervolles Revier, in dem sich die aus Hamburg, Holland, dem Rheinland und Süddeutschland angereisten Holzdrachensegler eine Woche lang so richtig wohl fühlten.

Die Regattagemeinschaft Fahrensodde, bestehend aus der Segler-Vereinigung Flensbug e.V. (SVF) und Flensborg Yacht Club e.V. (FYC), empfing uns mit herzlichster Gastfreundschaft und organisierte sowohl das Wasser- als auch das Landprogramm mit spürbarer Leidenschaft und einer Professionalität, die sich auch vor echten Meisterschaften nicht zu verstecken braucht. Von der Marina auf halbem Weg zwischen Flensburg und dem uns Drachenseglern wohlbekannten Glückburg wurde dasselbe Segelrevier unterhalb der Ochseninseln angesteuert, das schon einige Deutsche Meisterschaften der Drachen und seit einigen Jahren auch den Pfingst-Cup gesehen hat.

Das Format sah eine Langstrecke am ersten Wettfahrttag, deren Resultat nicht streichbar war, sowie an drei weiteren Wettfahrtagen klassische „Olympische Dreiecke“ sowie „Up-and-Down“ Kurse vor. Dazwischen war ein Ruhetag, an dem die ganze Flotte in die Werft von Oliver Berking eingeladen war. Oliver zeigte uns seine diversen 12er und andere Yachten und erzählte so machen historischen Hintergrund zu seinen spannenden Projekten.

Für die International Dragon Classics stimmte Oliver Berking nicht nur der Umwidmung des ursprünglich als Corinthian Cup von Robbe & Berking gestifteten Silberpokals zu, der inzwischen die Gravur der bisherigen vier Holdrachen-Gewinner trägt, sondern stiftete auch noch einen zweiten Silberpokal gleicher Anmutung für die „naturbelassenste“ Yacht.  Die Jury sind dabei die Segler selbst, jeder kann sechs Punkte verteilen auf bis zu drei Kandidaten. Die Vergabe der Punkte war nicht einfach, denn alle 18 anwesenden Yachten hätten die sechs Punkte verdient gehabt, es ist einfach ein Holzdrachen schöner als der andere. Vier hatten sogar Holzmasten – und waren damit nicht weniger schnell. Am Ende gewann GER 405 „Moana“ von Christopher Opielok, ein ausnehmend gut restaurierter Petersen & Thuesen mit Holzmast und wunderschön gebeizter Schale.

Der Stellenwert des Rahmenprogramms erinnerte mich an Norbert Geißler, der uns in seinem Interview fürs Dragon Journal 2022 daran erinnerte dass zu „seiner Zeit“ der Charakter der Drachenklasse im Slogan „Sail and Dance“ Ausdruck fand. Genau diesen Tenor traf die International Dragon Classics in Flensburg auf perfekte Weise, mit einem DJ-Abend an dem Rainer Nothelfer bis tief in die Nacht inmitten tanzwütiger Groupies die Tanzfläche rockte und mit kulinarischen Köstlichkeiten an allen Abenden, die ihresgleichen suchten. Unvergesslich allein das Barbecue mit Spanferkel und Ochsenbacken – Letztere nach vier Stunden Schmorzeit so locker dass das Messer von selbst hindurch fällt – so hätten wir uns das zur Weltmeisterschaft in Kühlungsborn eigentlich auch vorgestellt.

Ach so, und gesegelt wurde natürlich auch – und das nicht zu knapp. Da war zuerst einmal der Sonntag mit der Langstreckenwettfahrt, die uns um die ganze Förde bis hinaus zur Pappelalle führte, sozusagen um einmal das Revier kennen zu lernen. Das Wetter war noch so wie es uns zur Begrüßung angekündigt wurde: „Hier regnet es bei jedem Wetter und die Sonne strahlt in Strömen“. Die 3 bis 4 Beaufort zum Start am Mittag nahmen nach und nach ab, so dass nach etwa 3 Stunden die Bahn verkürzt wurde um das Zeitlimit nicht zu gefährden. Der etwa zehn Kilometer lange Anlieger ins Ziel sah keine Verschiebung zwischen den führenden Yachten, alle waren exakt gleich schnell: Wolfgang Köhnk (NRV, GER 549) als Erster, gefolgt von Buarle Glas (BYC, GER 562), Christopher Opielok (NRV, GER 405 – der „B-Noten“-Gewinner mit Holzmast), Christian Hemmerich (DTYC, GER 257) und als Fünfter Sönke Bruhns (NRY, GER 153 – schon der zweite Holzmast).

Der Start der ersten Wettfahrt hatte ein Vergehen durch Hans R. „Teddy“ Behr gesehen, das der Holländische Grandseigneur Philip de Koning Gans protestierte und der Jury keine andere Wahl ließ als Teddy Behr zu disqualifizieren, denn anstelle zu kringeln segelte dieser weiter und führte das Feld um die ersten beiden Tonnen noch an. Die Jury übrigens wurde gecoacht vom De-Facto-Ehrenmitglied des Drachengeschwaders Günter Ahlers, der eigentlich nur zusehen wollte bei dieser Veranstaltung direkt vor seiner Haustüre und dann kurzerhand für die Jury “schangheit” wurde.

Ab Montag hat es dann zuerst einmal nach einer ziemlich flauen Woche ausgesehen, wobei tagelang 15-20 Knoten auf den bayerischen Seen gemeldet wurden, während die Flensburger Förde sich in der sonst zu dieser Jahreszeit eher für die bayerischen Seen typischen stoischen Ruhe präsentierte. Das war eigentlich anders herum bestellt. Doch das Warten hat sich gelohnt, denn am Mittwoch gegen 16:00 Uhr konnte plötzlich doch gestartet werden bei aufkommendem Nordost und es fanden in den Abend hinein drei (!) traumhafte Schönwetterwettfahrten mit 8 bis 12 Knoten Wind und dem bei diesen Bedingungen für Salzwasser typischen Champagnergurgeln unter dem Drachenbug statt.

Da allerdings Buarle Glas schon abgereist war und nicht mehr antrat in diesen Wettfahrten, bildete sich eine Spitzengruppe aus Köhnk, Opielok und Hemmerich, die nach vier Wettfahrten nahezu gleiche Punktzahl hatten. Was kaum jemand erwartet hatte, bot dann die Flensburger Förde am Donnerstag, dem letzten Wettfahrttag: schon ab 10:00 Uhr baute sich der “Jeanssegelwetter-Nordost” über die ganze Förde auf und es konnten zwei lange Wettfahrten mit einleitendem „Olympia-Dreieck“ gesegelt werden die alleine die Reise nach Flensburg wert waren. Interessant war dabei das Muster dieses Nordost auf der Flensburger Förde: Bei Einsetzen des Winden ging an beiden Tagen die Startkreuz der ersten Wettfahrt über Links – von einem leicht bevorzugten Pin-End bis unter die Ochseninseln, wobei man den Internatsschülern nicht zu nahe kommen durfte, denn oben am Luvfass mitten auf dem See waren schon die ersten Rechtsdreher und für den Rest des Tages ging es dann immer konsequent über Rechts, mit zuverlässiger Kippe aus Glücksburg rüber kommend ab der Mitte der Kreuz.

Am Ende hat sich durch seine konstante und besonnene Leistung der Initiator der International Dragon Classics, Christian Hemmerich mit Crew Anderl Listl und Gregor Berz um einen Punkt durchgesetzt vor Christopher Opielok mit Crew Jan Welken und Kalle Dehler. Dritter wurde Wolfgang Köhnk mit Crew Jürgen Flemming und Rasmus Nielsen.

Die Stimmung in der Holzdrachen-Szene – einer extrem entspannten Sub-Community der Drachen Regattasegler – könnte nicht besser sein und man freut sich auf eine nächste International Dragon Classics vermutlich schon in zwei Jahren wieder im Süden, denn die Diesjährige war ja von 2021 her verschoben worden. Ob es danach wieder mit dem bisherigen Dreijahresrhythmus weiter geht oder alle zwei Jahre bleibt abzuwarten, man spricht allerdings schon über eine Wiederholung hier in Fahrensodde, das sich in diesem Jahr als perfekte Heimat für die Holzdrachenflotte präsentiert hat.

Drachenreporter: Gregor Berz

Bilder: Tom Körber

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