07.07.2021 – News

Regelsicherheit ist die erste Voraussetzung zur entspannten Gelassenheit

- unsere Gentlemen’s Class wird nicht zur Kampfklasse verkommen - Ein Beitrag von Drachenkommodore Gregor Berz

Uli Finckh meinte neulich, in der Drachenklasse werde viel zu wenig protestiert. Von dieser These war ich ziemlich schockiert, hatte ich doch von meinen großen Lehrmeistern in den 90ern gelernt, dass man Protestsituationen aus dem Wege gehen sollte und lieber im großen Bogen außen herum segelt, was meist eh viel schneller ist, als mitten rein zu halten und dann auf irgendwelchen Rechten zu bestehen. 

Nein, die Drachenklasse hat sich in diesem Punkt nicht geändert in den letzten 25 Jahren und es hat auch nichts mit den zahlreichen Profiseglern zu tun, die wir uns inzwischen glücklich schätzen dürfen, auf vielen Drachen zu begegnen. Es hat sie schon vor den Profis gegeben und sie werden hoffentlich auch in Zukunft die Ausnahme bleiben, diese wenigen Heißsporne, die überall immer ihr Recht durchsetzen müssen. Erst auf dem Wasser und dann auch ohne zu zögern an Land in abendfüllenden Protestverhandlung, wenn es nur so geht.

Klar, wenn es zum Crash kommt und richtig Schaden gibt, dann muss man die Schuldfrage klären! Aber ist das wirklich so? Am Ende zahlt immer eine Versicherung – im schlimmsten Fall steigt der eigene Schadenfreiheitsrabatt oder man muss sogar die Versicherung wechseln. Es gibt wirklich Schlimmeres im Leben!

Ach so, viel schlimmer ist natürlich, ganz ohne Crash, wenn es Tage lang an einem nagt – am eigenen Ego nagt, wenn man Nächte lang die Situation mit sich selbst diskutiert. Man ist sich dann ganz sicher dass man längst im Dreilängenkreis war bevor die Überlappung hergestellt wurde. Der Andere kam mit spitzem Spi und Schwung von Lee, luvt noch hinter Dein Heck um Dich herum, innen rein, deklassiert Dich total – das nagt am Ego! Da hätte man natürlich „zu machen“ und einen Protest provozieren können. Aber dann hätte man einen Zeugen gebraucht, und man hätte kostbare Freizeit in eine lange Protestverhandlung investieren müssen, um mit Jemandem ums Recht zu kämpfen, der es für sein eigenes Ego offensichtlich viel wichtiger braucht. Ich bleibe dabei: Jede Protestverhandlung ist eine zu viel, auch und gerade in der Drachenklasse.

Der Konsens, der sich im Gespräch mit Uli Finckh gefunden hat: Es wird viel zu wenig „sich geeinigt“. Wobei noch viel edler als eine erzwungene Einigung durch das Protestkomitee die Einigung durch Nachgeben mindestens einer der beiden Parteien ist. Und dabei ist es immer der Klügere, der nachgibt. Uli Finckhs Empfehlung ist dann – für die Versicherungen dieser Welt – die Einigung schriftlich zu fixieren. Das spart die ganze aufreibende Protestverhandlung.

Wobei, wenn jemand auf einem Rech besteht, das er gar nicht hat, ist es schon extrem schwer auszuweichen und sich deklassieren zu lassen. An irgendeinem schlechten Tag werde vermutlich auch ich einmal „zu machen“ und eine strittige Situation durch einen Protest geklärt haben wollen. Diese Bemerkung hier nur, damit auch in unserer Gentlemen’s-Class niemand meint, man könne als einzelner Kampfdrachen einfach immer draufhalten, die anderen werden schon nachgeben. Worin ich nämlich auch mit Uli Finckh einig war: dass die Regelsicherheit im Feld nicht immer vorhanden ist. Hin und wieder ein Regelkundeseminar, z.B. bei Uli oder auch ein Blick in das DragonRulesQuiz [pdf] kann da schon ausreichen, um Protestsituationen zu vermeiden, bevor sie überhaupt entstehen.

Mit diesem Hinweis wünsche ich uns allen entspanntes Segeln, jetzt, da wir endlich wieder regattieren können,

Euer Commodore